Von eingenommenen Medikamenten erhofft man Heilung oder Linderung von Krankheiten. Dies bewirken Medikamente, indem sie tief in Stoffwechselfunktionen oder andere Lebensvorgänge und Organfunktionen eingreifen. Dabei hat jedes Medikament außer der erwünschten Wirkung auch unterschiedliche Nebenwirkungen. Diese Nebenwirkungen treten nicht alle und nicht bei jedem in gleicher Art und Stärke auf.
Manche Nebenwirkungen, wie beispielsweise Erbrechen, Schwindel, Durchfall, Fieber, Schmerzen, treten sehr schnell und intensiv auf, so dass das Medikament für den betreffenden Patienten nicht geeignet ist und abgesetzt werden muss. Dann muss versucht werden, mit einem anderen Medikament zum Ziel der Behandlung zu kommen. Andere Nebenwirkungen machen sich mitunter langsam und schleichend bemerkbar. Dies trifft oft auf Medikamente zu, die sehr lange Zeit oder sogar dauernd eingenommen werden müssen.
Bei schleichend auftretenden Nebenwirkungen kann der Patient den Zusammenhang zwischen der Medikamenten-Einnahme und der Nebenwirkung oft nicht (mehr) erkennen. Deshalb empfiehlt es sich, bei neu verordneten Medikamenten oder bei veränderter Dosis über auftretende Nebenwirkungen und Befindlichkeiten schriftliche Notizen zu machen. Niemand kennt den eigenen Körper besser als man selbst. Wenn sich z.B. seit dem Beginn der Einnahme eines Medikamentes allmählich — über Wochen bis Monate — die Qualität der Erektion kontinuierlich verschlechtert, ist eine entsprechende Nebenwirkung anzunehmen.
Auch ein Blick in den sog. Beipackzettel des Medikaments ist hilfreich. Dort kann man im Abschnitt “Nebenwirkungen” nachlesen, welche Nebenwirkungen möglicherweise zu erwarten sind. Die dort aufgeführte große Anzahl von Nebenwirkungen darf niemanden erschrecken oder veranlassen, sein Medikament nicht einzunehmen, sondern ist vielmehr Ausdruck dafür, dass jeder Mensch anders reagiert. Viele Medikamente können als Nebenwirkung eine erektile Dysfunktion oder andere sexuelle Funktionsstörungen verursachen. Übrigens führen auch bei Frauen z.T. die gleichen Medikamente zu sexuellen Funktionsstörungen. Zu diesen Medikamenten gehören beispielsweise: den Blutdruck senkende Medikamente, Blutfett- oder Lipidsenker, Cholesterin senkende Medikament, harntreibende oder entwässernde Medikamente, Herzmittel (Digitalis = Fingerhut), Magenmittel, Beruhigungsmittel, Psychopharmaka. Eine Auswahl solcher Medikamente haben wir auf der Seite “Medikamente, die Sexualstörungen verursachen können” zusammengestellt.
Wenn sich im Erleben der Sexualität nach der Einnahme eines Medikaments etwas ändert, dann sollte man im Beipackzettel nach Hinweisen auf solche Nebenwirkungen suchen. Sie werden mit vielen Bezeichnungen benannt: erektile Dysfunktion, Impotenz, Erektionsstörung, Erektionsverlust, Libidoverminderung, Libidostörung, vermindertes sexuelles Verlangen, Ejakulationsstörung, Orgasmusprobleme, verminderte Spermienbildung, Unfruchtbarkeit = Infertilität, absinkende Testosteron-Spiegel, verminderte Testosteronbildung u.v.a.m.. Männer werden von den Ärzten selten auf die Möglichkeit solcher Nebenwirkungen hingewiesen. Viele Männer quälen sich dann unnötig lange mit einem Problem herum, für das sie keine Erklärung haben und finden, und sie kommen nicht auf die Idee, dass ihr Medikament daran schuld sein könnte. Dazu kommt bei vielen die Scham, mit ihrem Arzt über ihre sexuelle Erfahrungen zu sprechen.
Die genannten Nebenwirkungen werden von den verschiedenen Medikamenten in unterschiedlicher Häufigkeit verursacht. Wenn Männer ihren Arzt auf die Häufigkeit von Nebenwirkungen ansprechen, bekommen sie oft abwiegelnd zu hören, dass die Sexualstörung nicht von dem Medikament herrühre. Das wäre ja sooo selten. Der Betroffene hat von der großen Seltenheit einer Sexualstörung als Nebenwirkung natürlich überhaupt nichts. Er ist nicht “selten”, sondern zu 100% betroffen. Nach einer 1998 im Großraum Köln durchgeführten Studie, die auf 4489 Befragten basiert, rechnet man für 2002 mit etwa 4,5 Millionen Männern in Deutschland mit einer ED. Bei rund 1,1 Millionen von ihnen dürfte die ED eine Nebenwirkung eines Medikaments sein. Den größten Anteil haben dabei auf Grund der vielen betroffenen Patienten einige Mittel zur Blutdrucksenkung, Senkung von Cholesterin und Blutfetten und Herz-Kreislauf-Medikamenten.
Wichtig: Wenn jemand ein Medikament einnehmen muss und bei sich eine Sexualstörung feststellt, sollte er auf keinen Fall eigenmächtig ein Medikament absetzen, sondern seinen Arzt um ein anderes Medikament bitten. Stößt man mit seinem Problem nicht auf Verständnis, sollte man dies deutlich sagen und sich an einen anderen Arzt wenden. Kann die Behandlung nicht geändert werden, bleibt nur, die Sexualstörung zu behandeln. Speziell für die Erektionsstörung gibt es verschiedene Möglichkeiten, die auf unserer Seite Behandlung von Erektionsstörungen aufgeführt werden.
Literatur
- B. Müller-Oerlinghausen, I. Ringel:
Medikamente als Verursacher sexueller Dysfunktionen: Eine Analyse von Daten des deutschen Spontanerfassungssystems
Deutsches Ärzteblatt 99, Ausgabe 46 vom 15.11.2002, Seite A‑3108 / B‑2627 / C‑2452