Situation von betroffenen Männern
Für Männer ist ihr Selbstgefühl von Männlichkeit und Potenz stark gekoppelt an die Erektion. Fast jeder Mann mit Erektionsstörungen stürzt daher in ein wahres Gefühlschaos:
- er fühlt sich nicht mehr als “richtiger” Mann, sondern als Versager, als “Schlappschwanz”,
- er schämt sich für seine Unmännlichkeit,
- er hat Angst, dass seine Partnerin ihn verlässt, sobald ihr ein potenter Mann über den Weg läuft,
- er hat Angst, dass sein Zustand bekannt wird und er damit lächerlich wird.
Diese Gefühle und Vorstellungen erschüttern das Selbstwertgefühl zutiefst und wirken sich negativ auf Partnerschaft, soziale Kontakte und Arbeitsfähigkeit aus. Viele betroffene Männer ziehen sich von ihrer Partnerin zurück, gehen allen Zärtlichkeiten aus dem Weg und verweigern ein Gespräch über ihren Zustand. Natürlich wird auch der Gang zum Arzt wegen der Erektionsstörung zu einer fast unüberwindbaren Hürde.
Situation der Partnerin
Da die Partnerinnen von betroffenen Männern wegen deren mangelnder Gesprächsbereitschaft oft nicht wissen, was in ihren Partnern vorgeht, können sie nur Vermutungen anstellen und sind allein gelassen mit quälenden Fragen:
- Bin ich nicht mehr attraktiv?
- Liebt mich mein Partner nicht mehr?
- Hat mein Partner eine Beziehung zu einer anderen Frau?
- Was habe ich falsch gemacht?
Dazu kommt, dass man an vielen Stellen lesen kann, dass Druck auf den Mann in solchen Situationen alles noch verschlimmert. Viele Frauen stehen daher der Gesprächsverweigerung ihres Partners hilflos gegenüber.
Es ist daher nicht verwunderlich, dass in fast allen Mails von Frauen die Frage, wie das Gespräch mit dem Partner in Gang kommen kann, eine zentrale Rolle einnimmt. Frauen, die sich an uns wenden, leiden in der Regel wesentlich mehr unter dem Rückzug und der Sprachlosigkeit ihres Partners als unter der Erektionsstörung. Übereinstimmend betonen diese Frauen, dass sie sicher sind, eine für beide befriedigende Lösung für die Erektionsstörung zu finden, wenn der Partner mit ihnen darüber spricht.
… und so erleben es Betroffene
Alles bisher Gesagte klingt sehr nüchtern. Deshalb zitieren wir hier einige Aussagen von Betroffenen, die anschaulich und ergreifend wiedergeben, wie diese Situation oft in der Realität erlebt wird.
“Mein Mann ist seit 6 Jahren impotent. Alle Versuche, die ich mit ihm unternommen habe, sind fehlgeschlagen. Er ist sehr depressiv, sehr launisch und alles was dazugehört. Eine körperliche Ursache hat man ausgeschlossen, nachdem ich ihn zu 2 Artzterminen geschleppt habe … Meinem schlimmsten Feind würde ich all das nicht wünschen, was mir bereits 6 Jahren ins Haus steht.”
“… seit ungefähr 2 Jahren klappt überhaupt nichts mehr im Bett. Jeder Versuch, ihn zu verführen, schlägt fehl. Er fängt dann plötzlich an mit mir über irgendwelche Lappalien zu diskutieren, nur um von der Situation abzulenken. Er lässt keine Diskussion über unser Sexualleben zu, er ignoriert meine Hilferufe. Einen Arzt aufsuchen, wozu? Er findet diese Situation vollkommen normal, er vermisst den Sex auch gar nicht, nicht die fehlende Nähe. Er versteckt sich hinter seinem Machogehabe und seiner Männlichkeit. Ich liebe diesen Menschen und bin auch davon überzeugt das er mich liebt, nur langsam verlässt mich jeglicher Mut. Ich frage mich was ich noch von dieser Beziehung habe. Ich würde mir so sehr wünschen, er wäre zugänglich und wir könnten darüber reden.”
“Seit 2 Jahren lebe ich mit einem impotenten Mann zusammen. Es hat wirklich sehr lange gebraucht, bis ich merkte, dass nicht “ich” das Problem war. Ich liebe ihn sehr und er ist nach meiner gescheiterten Ehe das beste was mir passieren konnte. Unser Problem ist, dass er nicht über seine ED reden kann. Viele Versuche (wirklich viele) meinerseits sind gescheitert. Und nach jedem Versuch habe ich das Gefühl, dass er sich immer mehr in sich zurück zieht. Mir fehlt nicht der Geschlechtsverkehr an sich, aber das “drumherum”!”
“Ein Problem über das man nicht sprechen kann, ist ja sowas von grausam. Manchmal habe ich das Gefühl ich müsste laut schreien sonst platze ich. Jede Nacht neben einen geliebten Menschen zu liegen und hoffen: Vielleicht heute abend … Es hat schon viele Tränen gegeben. Das können sie mir glauben.
Ich verlange ja nicht, dass er von einem Tag auf den anderen ein Supermann wird. Mir würde ein Streicheln am Ohr schon reichen. Eine kleine Bestätigung, dass ich für ihn eine schöne Frau bin. Eine kleine Bestätigung, dass ich “die” Frau für ihn bin.”
Aber auch wenn die Partner miteinander reden können, wird nicht einfach alles besser:
“Ich als Frau fühlte mich absolut minderwertig, nicht anziehend genug, stellte meine Sexualität in Frage, fand mich nicht begehrenswert, zu alt (er ist jünger), etc.. Alle Versuche mir zu erklären, dass dem nicht so ist prallten innerlich an mir ab. Ich konnte es nicht glauben, dachte immer: er will Dich nur beruhigen.… Wir haben sehr viel und sehr offen darüber gesprochen, haben uns aber trotzdem teilweise selbst gequält, jeder für sich, wir beide fühlten uns innerlich “unter Druck” gesetzt”, da halfen auch alle Gespräche nichts, ein Stachel blieb immer. Ich stellte meinen Körper wie nie in meinem Leben in Frage. Wir schwankten ständig zwischen neuen Versuchen und beiderseitigem Zurückziehen aus Angst vor dem Versagen. Wir machten uns, trotz aller Offenheit, gegenseitig das Leben schwerer als es hätte im Nachhinein sein müssen. Ich zog mich oft zurück, ließ ihn nicht an mich ran, weil ich dachte: eigentlich will er Dich doch gar nicht.”
Sie haben es sicher schon gemerkt: alle Aussagen stammen von Frauen. Das ist kein Zufall. Männern erzählen in Mails an uns extrem selten von ihren Gefühlen. Sind Gefühle für Männer ein Problem, oder vielleicht sogar unmännlich?
Ursachen
Auf die Frage, warum Männer die Potenz und die Erektionsfähigkeit so stark bewerten, gibt es keine einfache Antwort. Das hat mit unserer menschlichen Entwicklungsgeschichte, mit der persönlichen Erziehung und Entwicklung und mit dem durch die Medien vermittelten Stellenwert von Sexualität in unserer Gesellschaft zu tun. Sicher lässt sich zu diesem Thema noch manche Doktorarbeit schreiben. Allerdings werden noch so schlaue Antworten und Analysen betroffenen Männern wenig nützen. Viel wichtiger ist, dass ein Mann zu der Einsicht kommt, dass er sich mit dem beschriebenen Verhalten enorm schadet, und das gleich aus mehreren Gründen:
- Es gibt keinen Grund, wegen Erektionsstörungen auf Sexualität zu verzichten. Auf der einen Seite gibt es Medikamente und Hilfsmittel, mit denen man trotz Erektionsstörung eine Erektion bekommen kann. Auf der anderen Seite gibt es auch befriedigenden Sex ohne Erektion, der für beide Partner zum Orgasmus führen kann. Zwischen diesen beiden Möglichkeiten kann sich jedes Paar das sexuelle Verhalten aussuchen, das ihm liegt.
- Erektionsstörungen können sehr früh auf andere gefährliche, noch nicht erkannte Erkrankungen wie beispielsweise Diabetes, eine koronare Herzkrankheit oder Arteriosklerose hinweisen. Eine rechtzeitige Entdeckung und Behandlung dieser Krankheiten ist manchmal sogar lebensverlängernd. In jedem Fall hat die möglichst frühzeitige Behandlung einen günstigeren Krankheitsverlauf zur Folge.
Weiterführende Informationen
- Men Devastated When Viagra Fails
Dieser Artikel berichtet von einer Studie, bei der es um die Situation von Männern geht, bei denen Viagra und Co. nicht wirken. Gerade wegen des großen Getöses um diese Medikamente in den Medien, fallen diese sogenannten Non-Responder in ein um so tieferes Loch.