In den letzten Jahren berichten uns Männer in E‑Mails und Anrufen, dass Urologen durchweg von gesetzlich Krankenversicherten die private Bezahlung für Diagnoseleistungen bei ED fordern, weil die gesetzlichen Krankenkassen dies angeblich nicht bezahlen würden. Dabei handelt es sich um Beträge bis zu 600 Euro!
Diese Forderungen sind nicht zulässig. Hier ist die Begründung:
- In § 27(1) Krankenbehandlung des Sozialgesetzbuches (SGB) V heißt es: “Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst
1. ärztliche Behandlung
3. Versorgung mit Arznei‑, Verband‑, Heil- und Hilfsmitteln”
(die Punkte 2, 4, 5 und 6 beschreiben andere Leistungen).
In § 28 Ärztliche und zahnärztliche Behandlung heißt es: “(1) Die ärztliche Behandlung umfasst die Tätigkeit des Arztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist.” - Die erektile Dysfunktion (Impotenz) ist nach zahlreichen seit 1998 ergangenen Gerichtsurteilen eine Krankheit. Das Bundessozialgericht (BSG) hat in letzter Instanz in seinem Urteil mit dem Aktenzeichen B 8 KN 9/98 KR R entschieden: Die erektile Dysfunktion, unter der der Kläger leidet, ist eine Krankheit iS des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung (§§ 27, 28 SGB V).
In den uns bekanntgewordenen Fällen handelte es sich nicht um irgendwelche ausgefallenen speziellen Untersuchungen, sondern um Bestandteile einer gründlichen Diagnostik, wie sie in einschlägigen Fachbüchern und Leitlinien gefordert werden (Anamnese einschl. Sexualanamnese, körperliche Untersuchung, Labor einschl. Hormonstatus, Ultraschalluntersuchung [Sonographie in Verbindung mit einem Schwellkörperinjektionstest [SKIT]).
Der SKIT ist komplett Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Der Einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM) ist ein Verzeichnis, das alle Leistungen der Kassenärzte nach Art, Umfang und Punktbewertung enthält. Dazu gehört im EBM Arztgruppe Urologe (Stand 3. Quartal 2014) unter den Ziffern 33043, 33062 und 33064: Sonographische Untersuchung [Ultraschall] der Uro-Genital-Organe (B‑Mode) bzw. der Gefäße des männlichen Genitalsystems mittels PW- bzw. CW-Doppler-Verfahren, einschließlich Tumeszenzmessung.
Beim SKIT wird häufig behauptet, dass das dafür benötigte Medikament privat zu bezahlen ist, weil es nicht Leistung der Krankenkasse ist. Hierzu ist festzustellen, dass diese Aussage schon immer falsch war und das auch nach der aktuellen Arzneimittel-Richtlinie ist. In der aktuellen Fassung der Anlage II zum Abschnitt F der Arzneimittel-Richtlinie (Stand: 28.1.2017) heißt es ganz eindeutig und ausdrücklich, dass der Wirkstoff Alprostadil für die Diagnostik von der Krankenkasse bezahlt wird. Ärzte dürfen hierfür kein Privatrezept ausstellen und keine private Bezahlung verlangen. Hier der entsprechende Passus der Arzneimittel-Richtlinie:
Anlage II zum Abschnitt F der Arzneimittel-Richtlinie
Gesetzliche Verordnungsausschlüsse in der Arzneimittelversorgung
und zugelassene Ausnahmen
Verordnungsausschluss von Arzneimitteln zur Erhöhung der Lebensqualität gemäß § 34 Abs. 1 Satz 7 SGB V (Lifestyle Arzneimittel)
Erektile Dysfunktion
Wirkstoff Fertigarzneimittel, alle Wirkstärken G 04 BE 01 Alprostadil
(Ausnahme als Diagnostikum) CAVERJECT
CAVERJECT Impuls
MUSE
VIRIDAL
Eines der Ziele der Arbeit unserer Selbsthilfegruppe ist ein verbessertes Arzt-Patientenverhältnis. Dazu gehört Klarheit in der Frage der Diagnostik der ED. Deshalb haben wir mit Schreiben vom 28. Mai 2004 die “Beauftragte der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten”, Frau Kühn-Mengel, um eine Klärung dieser Frage gebeten. Sie hat uns nach eingehender Prüfung am 15.Oktober 2004 Folgendes schriftlich mitgeteilt:
“Die diagnostische Suche nach den möglichen Ursachen einer erektilen Dysfunktion bei Vorliegen eines Krankheitsverdachtes ist eine Leistung der gesetzlichen Krankenkassen.”
Alle Kosten für medizinisch notwendige Untersuchungen im Rahmen der Diagnostik der ED werden von den gesetzlichen Krankenkassen auch nach den Gesundheitsreformen 2004 (GMG) und 2007 (GKV-WSG) voll übernommen. Wenn ihr Urologe also Zahlungen für Diagnoseleistungen bei einer ED fordert, dann weisen Sie ihn auf die Rechtslage hin. Wenn er dann immer noch auf einer Zahlung besteht, dann sollten Sie sich einen anderen Arzt suchen. Sie können außerdem die zuständige kassenärztliche Vereinigung informieren, damit diese den Arzt darauf hinweist, dass es nicht erlaubt ist, bei der Diagnose der ED private Bezahlung vom Patienten zu fordern. Es handelt sich auch nicht um sog. IGeL (individuelle Gesundheitsleistungen). Ein Arzt, der den Patienten unzutreffend über Leistungen oder Leistungsausschlüsse der gesetzlichen Krankenkasse informiert, kann schadensersatzpflichtig sein und muss Ihnen dann gezahltes Honorar, eventuelle Zinsen, Anwalts- und Gerichtskosten zurückzahlen.
Wenn es sich trotz allem nicht umgehen läßt, die diagnostischen Untersuchungen privat zu bezahlen, bleibt Ihnen die Möglichkeit, Ihrer Krankenkasse die quittierte Arztrechnung mit der Bitte um Kostenerstattung vorzulegen. In Ihrem Versicherungsverhältnis ist die Kasse rechtlich Ihr Vertragspartner, nicht der Arzt. Wenn Sie diesen Weg der Erstattung gehen wollen, dürfen Sie auf keinen Fall ein Formular oder eine Vereinbarung beim Arzt unterschreiben, worin Sie erklären, dass Sie ausdrücklich eine private Behandlung wünschen, die Diagnostik eine IGeL ( = individuelle Gesundheitsleistung) oder jedenfalls eine Leistung ist, die die Kasse nicht bezahlt, und dass Sie wissen, dass die Kasse diese Kosten nicht übernimmt und nicht erstattet und Sie diese auch nicht geltend machen. In der Rechnung des Arztes dürfen nach der privaten Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) nur die entsprechenden Leistungsziffern, der Steigerungsfaktor und die Kosten in Euro auftauchen, evtl. die Diagnose, nicht jedoch Begriffe wie Wunschbehandlung, Wunschleistung, IGeL ( = individuelle Gesundheitsleistung) usw. Dies erschwert die Möglichkeit, von Ihrer Kasse den Betrag erstattet zu bekommen. Wenn die Kasse sich weigert, den Betrag zu erstatten, sollten Sie mit Hilfe eines Anwalts vor dem Sozialgericht klagen.