Sexu­el­le Mythen

Unser Sexu­al­trieb ist ange­bo­ren, wie wir unse­re Sexua­li­tät leben, das ist erlernt. Aller­dings waren unse­re Lehr­meis­ter auf die­sem Gebiet oft nicht kom­pe­tent und schöpf­ten ihr Wis­sen aus zwei­fel­haf­ten Quel­len. Als Fol­ge davon schlep­pen wir all­zu­oft fal­sche und unrea­lis­ti­sche Vor­stel­lun­gen mit uns her­um, die unse­re Sexua­li­tät sehr nega­tiv beein­flus­sen kön­nen. Hier sind ein paar davon:

Ein rich­ti­ger Mann kann und will immer!

Für vie­le Män­ner ist Männ­lich­keit gleich­be­deu­tend mit Potenz. Bei die­ser Ein­stel­lung wer­den natür­lich Potenz­stö­run­gen zur Kata­stro­phe. Ein Mann mit einer Potenz­stö­rung ist dann kein rich­ti­ger Mann mehr, son­dern schlicht und ein­fach ein Schlapp­schwanz! Kein Wun­der, dass Män­ner mit Erek­ti­ons­stö­run­gen sich zurück­zie­hen und nicht mal mit ihrer Part­ne­rin oder einem Arzt dar­über reden kön­nen. Es tut ein­fach zu weh, an die­se Wun­de zu rühren.

Je grö­ßer (und här­ter) der Penis, des­to befrie­dig­ter die Partnerin

Eigent­lich ist es doch jedem klar: Nicht die Grö­ße des Penis ist ent­schei­dend, son­dern das, was man damit macht. Trotz­dem lebt die­ser Mythos wei­ter. Oder wie ist es sonst zu erklä­ren, dass eine Suche mit Goog­le nach “Penis­ver­län­ge­rung” und “Penis­ver­grö­ße­rung” vie­le Tau­sen­de Tref­fer ergibt?

Ein Mann muss sei­ne Part­ne­rin ein Erd­be­ben erle­ben lassen

Vie­le Män­ner ste­hen beim Sex unter gro­ßem Stress, weil sie mei­nen, dass der Sex nur dann für die Part­ne­rin befrie­di­gend war, wenn er furi­os endet. Ist das nicht der Fall, dann ist etwas schief gelau­fen und sie füh­len sich ver­ant­wor­tich für die­ses “Ver­sa­gen”.

Bei­de Part­ner müs­sen (gleich­zei­tig) zum Höhe­punkt kommen

Gan­ze Gene­ra­tio­nen haben ihre Auf­klä­rung aus dem Buch “Die voll­kom­me­ne Ehe” von van der Vel­de bezo­gen (erschie­nen 1923, aber bis in die sech­zi­ger Jah­re ein Best­sel­ler). Dort wird der gleich­zei­ti­ge Orgas­mus als höchs­tes Ziel pro­pa­giert. Nur: die­ses Ziel zu errei­chen kos­tet ziem­lich viel Kon­zen­tra­ti­on und ist daher sicher nicht lust­för­dernd. Aber auch wenn man die For­de­rung “gleich­zei­tig” streicht, legt man sich einen unnö­ti­gen Zwang auf. Erst wenn die­ser Mythos in einer Part­ner­schaft kei­ne Bedeu­tung mehr hat, ist es auch mög­lich, gut mit den unter­schied­lich star­ken Bedürf­nis­sen nach Sex umzugehen.

Nur Geschlechts­ver­kehr ist rich­ti­ger Sex

Seit vie­len Jah­ren kann man in jedem Sex-Rat­ge­ber und in vie­len Illus­trier­ten-Arti­keln nach­le­sen, dass die meis­ten Frau­en allein durch einen Gechlechts­ver­kehr (Ein­drin­gen des Penis in die Schei­de, Koitus) nicht zum Orgas­mus kom­men. Trotz­dem scheint für vie­le Paa­re der Geschlechts­ver­kehr unver­zicht­ba­rer Bestand­teil des Sex zu sein. Ande­re Spiel­ar­ten der Sexua­li­tät wer­den höchs­tens als Vor­spiel akzep­tiert. Die­se Ein­stel­lung schränkt schon unter nor­ma­len Umstän­den die Sexua­li­tät ein (oder möch­ten Sie zu jedem Essen Ihre Lieb­lings­spei­se?). Ist ein Gechlechts­ver­kehr nicht mehr ohne wei­te­res mög­lich, dann führt die­se Ein­stel­lung häu­fig zum voll­stän­di­gen Ver­zicht auf alle sexu­el­len Akti­vi­tä­ten. Schade!

Impo­tenz ist im Alter unvermeidlich

Natür­lich lässt in der Regel im Alter die Potenz nach. Aber es gibt auch vie­le Män­ner, die bis ins hohe Alter sehr potent waren. Auch im Alter recht­fer­ti­gen Potenz­stö­run­gen, die einen Lei­dens­druck erzeu­gen, den Gang zum Arzt! Auch nach der Gesund­heits­re­form sind in die­sem Fall Bera­tung, Dia­gnos­tik und Behand­lung Leis­tun­gen der gesetz­li­chen Kran­ken­kas­sen. Selbst bezah­len muss man ledig­lich die Medikamente.

Sex ist nichts mehr für älte­re Menschen

Sexua­li­tät ist eine wun­der­ba­re Quel­le von Lebens­freu­de! Gott sei Dank gibt es vie­le alte Paa­re, die ihre Sexua­li­tät geniesen.

Ohne Erek­ti­on und Eja­ku­la­ti­on gibt es kei­nen Orgasmus

Die­se Vor­stel­lung ist ein­fach falsch. Vie­le Män­ner, die auf Grund einer Ner­ven­schä­di­gung (bei­spiels­wei­se durch einen Unfall oder eine Ope­ra­ti­on) kei­ne Glied­ver­stei­fung (Erek­ti­on) mehr auf natür­li­chem Weg bekom­men kön­nen, sind trotz­dem orgas­mus­fä­hig. Das liegt dar­an, dass die für die Erek­ti­on ver­ant­wort­li­chen Ner­ven anders ver­lau­fen als die Ner­ven, die Rei­ze am Penis trans­por­tie­ren. Auch wenn kein Samen­er­guss (Eja­ku­la­ti­on) mehr mög­lich ist, weil bei­spiels­wei­se die Pro­sta­ta ent­fernt wur­de, ist in der Regel trotz­dem ein Orgas­mus möglich.

Fazit

Bei genaue­rem Hin­se­hen erwei­sen sich alle die­se Aus­sa­gen als Vor­ur­tei­le, die einer Über­prü­fung durch die Rea­li­tät nicht stand­hal­ten. Trotz­dem leben sie wei­ter, wer­den auf vie­ler­lei Wei­se ver­brei­tet und ent­fal­ten ihre lust- und lebens­feind­li­che Wirkung.

Wei­ter­füh­ren­de Informationen

  • Ber­nie Zilbergeld:
    Die neue Sexua­li­tät der Männer
    dgvt-Ver­lag Tübin­gen; ISBN 3–87159-099–1Dieses Buch ent­hält ein aus­führ­li­ches Kapi­tel über sexu­el­le Mythen, auf das wir uns bei der Erstel­lung die­ser Sei­te gestützt haben. Dar­über­hin­aus lie­fert die­ses Buch eine Fül­le von Infor­ma­tio­nen und Anre­gun­gen für jeden Mann, der sich mit sei­ner Sexua­li­tät aus­ein­an­der­set­zen will.
  • Gün­ter W. Rem­mert: Mythen männ­li­cher Sexua­li­tät und ihre Überwindung.Dieser her­vor­ra­gen­de Arti­kel ergänzt die Mythen von Zil­ber­geld durch eige­ne Erfah­run­gen und Erkennt­nis­se und ent­hält dar­über hin­aus prak­ti­sche Anre­gun­gen für die Gestal­tung einer befrie­di­gen­den Sexualität.