Anre­gun­gen für Partnerinnen

Situa­ti­on von Betroffenen

Gegen Erek­ti­ons­stö­run­gen exis­tiert eine Rei­he von wirk­sa­men Behand­lungs­mög­lich­kei­ten. Außer­dem gibt es auch Spiel­ar­ten der Sexua­li­tät, die kei­ne Erek­ti­on vor­aus­set­zen, aber trotz­dem für bei­de Part­ner zum Höhe­punkt füh­ren kön­nen. Da könn­te man anneh­men, dass Erek­ti­ons­stö­run­gen heu­te kein gro­ßes Pro­blem mehr darstellen.

Die Wirk­lich­keit sieht jedoch oft anders aus. In unse­ren Män­ner­ge­hir­nen ist die Vor­stel­lung tief ver­wur­zelt, dass Männ­lich­keit und sexu­el­le Potenz untrenn­bar zusam­men­ge­hö­ren. Fast jeder Mann mit Erek­ti­ons­stö­run­gen stürzt daher in ein wah­res Gefühlschaos:

  • er fühlt sich nicht mehr als “rich­ti­ger” Mann, son­dern als Ver­sa­ger, als “Schlapp­schwanz”,
  • er schämt sich, weil er davon über­zeugt ist, dass er den Ansprü­chen sei­ner Part­ne­rin nicht genügt,
  • er hat Angst, dass sei­ne Part­ne­rin ihn ver­lässt, sobald ihr ein poten­ter Mann über den Weg läuft,
  • er befürch­tet, dass sein Zustand bekannt wird, und er damit lächer­lich wird.

Die­se Gefüh­le und Vor­stel­lun­gen erschüt­tern das Selbst­wert­ge­fühl zutiefst. Das bleibt sel­ten ohne nega­ti­ve Aus­wir­kun­gen auf Part­ner­schaft, sozia­le Kon­tak­te und Arbeits­fä­hig­keit. Damit nicht an die­se Wun­de gerührt wird, zie­hen sich vie­le betrof­fe­ne Män­ner von ihrer Part­ne­rin zurück, gehen allen Zärt­lich­kei­ten aus dem Weg und ver­wei­gern ein Gespräch über ihren Zustand. Die Situa­ti­on wird oft dadurch noch bri­san­ter, dass vie­le Män­ner sich allein ver­ant­wort­lich für die Befrie­di­gung ihrer Part­ne­rin füh­len, ohne wirk­lich zu wis­sen, was die Part­ne­rin tat­säch­lich befrie­digt. Typisch männ­lich ist auch der Wunsch, allein mit dem Pro­blem fer­tig zu wer­den. Nur etwa 20% aller von Erek­ti­ons­stö­run­gen betrof­fe­nen Män­ner gehen des­we­gen zum Arzt.

Da die Part­ne­rin­nen von betrof­fe­nen Män­nern wegen deren man­geln­der Gesprächs­be­reit­schaft oft nicht wis­sen, was in ihren Part­nern vor­geht, kön­nen sie nur Ver­mu­tun­gen anstel­len und sind allein gelas­sen mit quä­len­den Fragen:

  • Bin ich nicht mehr attraktiv?
  • Liebt mich mein Part­ner nicht mehr?
  • Hat er eine Bezie­hung zu einer ande­ren Frau?
  • Was habe ich falsch gemacht?

Lösungs­mög­lich­kei­ten

Es gibt kein Patent­re­zept, wie ein Paar aus der beschrie­be­nen Situa­ti­on wie­der zu einer befrie­di­gen­den Part­ner­schaft und Sexua­li­tät fin­den kann. Aber ohne Gesprä­che wird das in der Regel nicht gelingen.

Wenn in einer Part­ner­schaft Tabus ent­ste­hen, über die nicht gere­det wer­den darf, dann ist das meist der Anfang vom Ende einer leben­di­gen Part­ner­schaft. Im Gegen­satz dazu fin­det ein Paar, das offen über die gegen­sei­ti­gen Wün­sche, Erwar­tun­gen und Bedürf­nis­se reden kann, in der Regel auch eine für bei­de akzep­ta­ble Lösung. Des­we­gen ist es wich­tig, dass Män­nern klar wird, dass sie die Bezie­hung gefähr­den, wenn sie das Gespräch ver­mei­den oder ver­wei­gern. Im Fol­gen­den wer­den eini­ge Anre­gun­gen für die sicher nicht ein­fa­chen Gesprä­che über sexu­el­le Pro­ble­me gegeben.

Vor­be­rei­tung

Wesent­li­che Vor­aus­set­zun­gen für ein gelin­gen­des Gespräch sind Sach­kennt­nis, Klar­heit über die per­sön­li­chen Bedürf­nis­se und die Über­zeu­gung, dass eine Lösung mög­lich ist. Hier eini­ge Tipps zur Vor­be­rei­tung des Gesprächs:

  • Infor­mie­ren Sie sich über Ursa­chen und Behand­lungs­mög­lich­kei­ten von Erek­ti­ons­stö­run­gen. Hilf­reich kön­nen auch die fol­gen­den Infor­ma­tio­nen sein: 
    • Man­che Män­ner mit Erek­ti­ons­stö­run­gen haben auch kei­ne Lust zum Sex. Das kann man als (unbe­wuss­ten) Selbst­schutz vor der “ernied­ri­gen­den” Situa­ti­on verstehen.
    • Ein gesun­der Mann erlebt Erek­ti­on, Eja­ku­la­ti­on und Orgas­mus als zusam­men­ge­hö­rig. In Wirk­lich­keit sind das aber drei von­ein­an­der unab­hän­gi­ge Vor­gän­ge. Daher kann ein Mann auch ohne Erek­ti­on einen Orgas­mus erleben.
  • Sexua­li­tät kann in jedem Alter die inten­sivs­te Mög­lich­keit sein, sich gegen­sei­tig Nähe, Aner­ken­nung und Gebor­gen­heit zu schen­ken. Wer­den Sie sich über den Stel­len­wert der Sexua­li­tät in Ihrem Leben und in der Bezie­hung zu Ihrem Part­ner klar. Wie wich­tig ist Ihnen die Sexualität?
  • Beant­wor­ten Sie sich fol­gen­de Fra­gen: Was ist Ihnen in der Sexua­li­tät wich­tig, wel­che Erwar­tun­gen, Wün­sche und Bedürf­nis­se haben Sie? Ist für Sie der Geschlechts­ver­kehr (Pene­tra­ti­on) unver­zicht­ba­rer Bestand­teil der Sexua­li­tät oder kön­nen Sie auch ganz oder teil­wei­se mit Spiel­ar­ten der Sexua­li­tät leben, die kei­ne Erek­ti­on vor­aus­set­zen? Kön­nen Sie sich vor­stel­len, mit Ihrem Part­ner neue Wege in der Sexua­li­tät auszuprobieren?
  • Bit­ten Sie ihren Part­ner um ein Gespräch. Wenn er sagt “jetzt nicht”, dann akzep­tie­ren Sie das, falls Sie sich auf einen ande­ren Zeit­punkt eini­gen kön­nen. Las­sen Sie nicht zu, dass das Gespräch auf den St. Nim­mer­leins­tag ver­scho­ben wird.
  • Signa­li­sie­ren Sie Ihrem Part­ner (viel­leicht durch eine Kar­te oder einen Brief?), dass es Ihnen dar­um geht, mit ihm gemein­sam eine Lösung zu fin­den und Sie über­zeugt sind, dass eine gute Lösung mög­lich ist.

Ort und Zeitpunkt

Wäh­len Sie einen Zeit­punkt für das Gespräch, bei dem Sie nicht unter Zeit­druck ste­hen. Stel­len Sie sicher, dass Sie nicht gestört wer­den kön­nen. Die Atmo­sphä­re soll­te mög­lichst ent­spannt sein, z.B. nach einem gemüt­li­chen Abend­essen. Even­tu­ell ist ein neu­tra­ler Ort, wie z.B. ein net­tes, ruhi­ges Lokal, ein bes­se­rer Ort als die eige­nen vier Wän­de. Oder ist für Sie bei­de ein Spa­zier­gang eine gute Mög­lich­keit zum Aus­tausch? Das Bett ist übri­gens kein idea­ler Ort für sol­che Gesprä­che. Die Gefahr, dass einer der Part­ner das Gespräch vor­schnell mit dem Hin­weis auf seine/ihre Müdig­keit been­det, ist groß.

Tipps für Gespräche

Ein Gespräch wird nur dann den gewünsch­ten Effekt haben, wenn Sie dem Part­ner kla­re Infor­ma­tio­nen über Ihre Befind­lich­keit geben und umge­kehrt sicher­stel­len, dass Sie sei­ne Aus­sa­gen rich­tig ver­ste­hen. Die fol­gen­den Regeln haben sich als hilf­reich erwiesen:

  • Erzäh­len Sie von sich, wie Sie sich füh­len, wie es Ihnen geht. Also nicht “man braucht Zärt­lich­keit”, son­dern “ich brau­che Zärt­lich­keit”. Nicht “du ver­nach­läs­sigst mich”, son­dern “ich füh­le mich vernachlässigt”.
  • Ver­mei­den Sie Ver­all­ge­mei­ne­run­gen (“du bist nie zärt­lich zu mir”). Neh­men Sie kon­kre­te Situa­tio­nen als Beispiel.
  • Zei­gen Sie Ver­ständ­nis für die Situa­ti­on Ihres Part­ners, aber erzäh­len Sie ihm auch von Ihren Selbst­zwei­feln und Ängs­ten (z.B. nicht mehr attrak­tiv für ihn zu sein, nicht mehr geliebt zu werden).
  • Sagen Sie Ihrem Part­ner, dass Sie sich Sor­gen um ihn und um sei­ne Gesund­heit machen, weil Erek­ti­ons­stö­run­gen ein ers­tes, auf­fäl­li­ges Sym­ptom einer gefähr­li­chen Krank­heit sein kön­nen. (Infor­ma­tio­nen dazu gibt’s auf unse­rer Sei­te “Früh­warn­sys­tem Penis”).
  • Ver­mei­den Sie die Baga­tel­li­sie­rung des Pro­blems (“das ist doch nicht so schlimm, wir lie­ben uns ja”).
  • Ste­hen Sie zu Ihren Bedürf­nis­sen! Erzäh­len Sie Ihrem Part­ner, was Sexua­li­tät für Sie bedeu­tet und was Ihnen bei der Sexua­li­tät wich­tig ist. Wenn für Sie die Pene­tra­ti­on nicht wich­tig ist, dann sagen Sie ihm, dass er Sie auch ohne Erek­ti­on befrie­di­gen kann. Wenn Ihnen dage­gen der GV wich­tig ist, dann wei­sen Sie ihn auf die exis­tie­ren­den Behand­lungs­mög­lich­kei­ten hin.
  • Vie­le Miss­ver­ständ­nis­se las­sen sich ver­mei­den, wenn Sie ab und zu das von Ihrem Part­ner Gesag­te in Ihren eige­nen Wor­ten zusam­men­fas­sen und fra­gen, ob Sie ihn damit rich­tig ver­stan­den haben.
  • Wenn Ihr Part­ner zu dem, was Sie gesagt haben, momen­tan nichts sagen kann, dann las­sen Sie ihm Zeit, das Gesag­te zu ver­dau­en. Drän­gen Sie ihn nicht zu einer Stel­lung­nah­me, ver­ein­ba­ren Sie statt­des­sen einen neu­en Termin.

Um zu ver­mei­den, dass einer der Part­ner das Gespräch domi­niert, kann man auch abwech­seln­des, zeit­lich begrenz­tes Zuhö­ren und Reden ver­ein­ba­ren. Also jeweils ein Part­ner redet z.B. 10 Minu­ten lang, der ande­re hört zu. Danach wer­den die Rol­len getauscht. Natür­lich kann die Rede­zeit auch Rede­pau­sen beinhal­ten und der Zuhö­rer darf rei­ne Ver­ständ­nis­fra­gen stellen.

Das Gespräch hat sei­nen Zweck erfüllt, wenn Ihr Part­ner ver­steht, dass nicht die feh­len­de Erek­ti­on das Pro­blem ist, son­dern sein Ver­hal­ten. Wenn Sie ihm klar machen und zei­gen kön­nen, dass befrie­di­gen­der Sex auch bei Erek­ti­ons­stö­run­gen mög­lich ist, dann wer­den Sie zusam­men auch all die even­tu­ell in letz­ter Zeit ent­stan­de­nen Irri­ta­tio­nen aus dem Weg räu­men können.

Wenn Gesprä­che misslingen

Gesprä­che kön­nen natür­lich auch miss­glü­cken. Das zeigt sich z.B. dar­in, dass

  • das Gespräch in gegen­sei­ti­gen Vor­wür­fen und Schuld­zu­wei­sun­gen endet,
  • ein Part­ner belei­digt schweigt und dadurch das Gespräch beendet,
  • alle Gesprä­che immer wie­der um das sel­be The­ma krei­sen und kein Fort­schritt erkenn­bar wird,
  • Abspra­chen nicht ein­ge­hal­ten werden.

Wenn Ihr Part­ner nicht zu Gesprä­chen bereit ist, oder wenn die­se regel­mä­ßig unbe­frie­di­gend enden, dann könn­te ein Brief eine Mög­lich­keit sein, all das in Ruhe und gut über­legt zu sagen, was Ihnen wich­tig ist. Das kann bei Ihren Gefüh­len für Ihren Part­ner begin­nen, die Erin­ne­rung an die Bewäl­ti­gung von Kri­sen in der Ver­gan­gen­heit wecken, sach­li­che Infor­ma­tio­nen über Erek­ti­ons­stö­run­gen ein­schlie­ßen, Ihre Wün­schen, Hoff­nun­gen und auch Sor­gen in der aktu­el­len Situa­ti­on klar machen und bei der Zuver­sicht, dass Sie zusam­men eine für bei­de zufrie­den­stel­len­de Lösung fin­den kön­nen, enden.

Wenn trotz aller Ver­su­che kei­ne wei­ter­füh­ren­den Gesprä­che zustan­de kom­men, dann soll­ten Sie Ihrem Part­ner deut­lich machen, dass sein Ver­hal­ten (und nicht sei­ne Erek­ti­ons­stö­rung!) Ihre Bezie­hung gefähr­det. Sie kön­nen ihm vor­schla­gen, gemein­sam pro­fes­sio­nel­le Hil­fe in Form einer Paar­be­ra­tung in Anspruch zu neh­men, wie sie z.B. von Pro­Fa­mi­lia in jeder grö­ße­ren Stadt ange­bo­ten wird. Gesprä­che mit einem erfah­re­nen Bera­ter / einer erfah­re­ne­nen Bera­te­rin haben vie­le Vor­tei­le: Als unpar­tei­ischer Drit­ter ach­tet der Bera­ter / die Bera­te­rin dar­auf, dass

  • Gesprächs­re­geln ein­ge­hal­ten werden,
  • es bei­den Part­nern gelingt, wich­ti­ge Anlie­gen zu formulieren,
  • die Aus­sa­gen des einen Part­ners auch vom ande­ren Part­ner gehört und ver­stan­den werden,
  • eine Atmo­sphä­re ent­steht, in der das Paar selbst Lösungs­we­ge findet,
  • ver­bind­li­che Abspra­chen getrof­fen wer­den und deren Ein­hal­tung oder Nicht-Ein­hal­tung auch ange­spro­chen werden.

Wenn alle hier auf­ge­führ­ten Wege nicht zu einer Lösung füh­ren, dann ist es wich­tig, dass Sie sich ent­schei­den, wie sie in Zukunft mit der Situa­ti­on umge­hen wol­len. Das ist allei­ne sehr schwie­rig. Eine (Einzel-)Beratung kann dabei eine wesent­li­che Hil­fe sein.

Erek­ti­ons­stö­run­gen als Chance

Län­ger anhal­ten­de Erek­ti­ons­stö­run­gen haben Ursa­chen, denen nach­zu­ge­hen sich lohnt. Wer das nicht tut, geht fahr­läs­sig mit sei­ner kör­per­li­chen und see­li­schen Gesund­heit um. Dazu kommt, dass, wie bei vie­len ande­ren Fäl­len von schmerz­haf­ten Stö­run­gen im gewohn­ten Lebens­ab­lauf, auch Erek­ti­ons­stö­run­gen eine Chan­ce dar­stel­len, wenn Paa­re dies als Anstoß für einen offe­nen Aus­tausch über ihre Bedürf­nis­se und gegen­sei­ti­gen Wün­sche anse­hen. Erek­ti­ons­stö­run­gen müs­sen nie­mals das Ende einer befrie­di­gen­den Sexua­li­tät bedeu­ten. Im Gegen­teil, sie kön­nen zu einer Bele­bung der Bezie­hung und der Sexua­li­tät führen.

Wei­ter­füh­ren­de Informationen

  • Eine Fül­le von hilf­rei­chen Anre­gun­gen fin­det man im “Online Fami­li­en­hand­buch”. Beson­ders inter­es­sant ist das Kapi­tel Paar­kom­mu­ni­ka­ti­on – eini­ge Regeln.
  • Buch­tipp: Micha­el Lukas Moeller:
    Die Wahr­heit beginnt zu zweit — Das Paar im Gespräch; rororo Sach­buch 9153
    Die Grund­ge­dan­ken in die­sem Buch sind auch auf der Inter­net­sei­te “www.dyalog.de” von Micha­el Lukas Moel­ler (der lei­der viel zu früh im Som­mer 2002 gestor­ben ist) und sei­ner Frau Célia Maria Fatia zu finden.