Wenn “Mann” eine Erektion (Gliedversteifung) hat, ist dies sicher nicht der Augenblick, darüber nachzudenken, wie sie eigentlich entsteht. Warum auch darüber nachdenken, wenn es mit der Erektion keine Probleme gibt? Das Nachdenken und die Verunsicherung beginnen erst, wenn es mit der Erektion Schwierigkeiten gibt. Jeder weiß aus eigenem Erleben, dass eine Erektion etwas außerordentlich Empfindliches ist. Und dass sie so empfindlich ist, hängt damit zusammen, dass das Entstehen einer Erektion ein sehr komplexer Vorgang ist. Und weil er so komplex ist, ist er auch so störanfällig.
Vieles muss “zusammenpassen”, damit sich der Penis versteift. Da gibt es zum einen äußere wichtige Faktoren, wie die Zeit, den Ort, die Stimmung, die Nähe und Vertrautheit zwischen zwei Menschen, Ungestörtheit. Zum anderen laufen im Körper viele miteinander verzahnte Vorgänge ab. Sexuelle Erregung wird ausgelöst über das Sehen, das Hören, das Riechen, die Phantasie, Berührung usw. Zum einen empfängt das Gehirn diese Reize und zum anderen werden von erektionsauslösenden Regionen des Gehirns erregende Signale über das Rückenmark an den Penis übermittelt. Gleichzeitig wird in den Arterien des Penis durch Stickoxyd ein Enzym (Zyklase) aktiviert, das eine bestimmte chemische Verbindung (GTP) in eine ringförmige Struktur (cycloGMP) umwandelt oder “zyklisiert”. Dieses cycloGMP wird abgekürzt chemisch als cGMP bezeichnet und lässt die glatte Muskulatur der Schwellkörper und Blutgefäße des Penis erschlaffen. Das führt zu einem erhöhten Bluteinstrom. Zunächst führt dies zur Tumeszenz, d.h. zu einer Schwellung des Penis mit Zunahme der Länge und Dicke. Bei weiterer sexueller Stimulation führt die fortlaufende Bildung von weiterem cGMP zu einer immer stärkeren Erschlaffung und einem weiteren Blutzustrom, der schließlich zur kompletten Versteifung des Gliedes führt. Dabei werden die Venen, über die das Blut normalerweise aus dem Penis in den Körper zurückströmt, durch die erigierten Schwellkörper zusammengepreßt, so dass unter der hohen Blutzufuhr und dem blockierten Blutrückfluss die Erektion bestehen bleibt.
Nach dem Höhepunkt (Orgasmus) und Samenerguss (Ejakulation) lässt die sexuelle Erregung und damit der Blutzustrom nach. Gleichzeitig beginnt ein anderes Enzym, eine sogenannte Phosphodiesterase Typ 5 (PDE5), das cGMP chemisch abzubauen, die komprimierten Venen erweitern sich wieder und das Blut strömt ab, womit die Erektion allmählich zurückgeht. All dies wird zusätzlich von vielen Hormonen beeinflußt und gesteuert. Daran sind z.B. unter anderem beteiligt: Testosteron, Vasopressin, DHEA, Serotonin, Dopamin, LH-RH, Oxytocin. Das lässt erkennen, dass es eine Vielzahl von Möglichkeiten gibt, daß Störungen die Erektion erschweren, verschlechtern oder verhindern können. In Frage kommen dafür Krankheiten, Operationen, Nebenwirkungen von Medikamenten, seelische sowie seelisch-körperliche (psychosomatische) Einflüsse. Zu wiederholten spontanen Erektionen, die man nicht immer bewusst wahrnimmt, kommt es auch während bestimmter Phasen des Schlafes. Die allbekannte “Morgenerektion” ist die letzte dieser nächtlichen Erektionen, die man beim Erwachen dann feststellt. Die Häufigkeit, Dauer und Stärke dieser nächtlichen Erektionen kann man mit einem Gerät (Rigiscan) messen. Diese Erektionen lassen Aussagen über die Durchblutung und Funktionsfähigkeit der Schwellkörper zu. Nächtliche Erektionen entstehen nicht durch bewusste sexuelle Aktivität und Stimulation, sondern auf andere Weise. Ihr Vorhandensein heißt also nicht, dass der Mann eine für sexuelle Aktivitäten (Geschlechtsverkehr, Penetration) ausreichende Erektion aufrecht erhalten kann. Auch wenn nächtliche Erektionen und eine Morgenerektion bestimmte organische Ursachen ausschließen, ist dies noch kein Beweis dafür, dass eine erektile Dysfunktion ausschließlich psychische Ursachen haben muss.