Auf dieser Seite erfahren Sie, was Sie erwartet, wenn Sie zum ersten Mal wegen Erektionsstörungen zu einem Facharzt (Urologen) gehen. Die Kosten für alle erforderlichen Untersuchungen im Rahmen der Diagnostik werden von den gesetzlichen Krankenkassen voll übernommen (siehe dazu auch “Kostenübernahme für die Diagnose der ED”).
Manche Ärzte verschreiben bei Erektionsstörungen nach kurzem Gespräch Cialis, Levitra oder Viagra und sehen bei einer zufriedenstellenden Wirkung dieser Medikamente keinen weiteren Handlungsbedarf. In Anbetracht der Tatsache, dass Potenzstörungen ein erstes, frühes Symptom einer noch nicht erkannten Krankheit sein können, ist dieses Verhalten nicht akzeptabel. Suchen Sie sich in so einem Fall zur Feststellung der Ursachen Ihrer Potenzprobleme einen anderen Arzt!
Manchmal wird auch behauptet, dass ein oder mehrere Versuche mit Cialis, Levitra oder Viagra Teil der Diagnostik sind. Aber aus dem Erfolg bzw. Misserfolg dieser Versuche lässt sich keine diagnostische Aussage ableiten (Weiske 2003).
Eine gründliche Diagnose von Potenzproblemen hat folgende Bestandteile:
1. Krankengeschichte (Anamnese)
In einem ausführlichen Gespräch wird Sie der Arzt zu folgenden Punkten befragen:
- Sexualanamnese und psychische Situation: Eingrenzung des Problems, Krankheitsverlauf, begleitende Probleme, Stellenwert der Sexualität, sexuelles Verhalten, Verhalten der Partnerin
- Krankheiten, Operationen, Verletzungen
- Medikamente, die Sie einnehmen
- Lebensstil (körperliche Aktivitäten, Stress, Rauchen, Alkohol, andere Drogen)
Die Anamnese liefert wichtige Hinweise darauf, ob die Ursachen schwerpunktmäßig im organischen oder psychischen Bereich liegen und welche weiteren Diagnosemaßnahmen erforderlich sind.
2. Körperliche Untersuchung
- Begutachtung des Körperbaus (Brust, Genitalien, Behaarung, Fettverteilung) liefert evtl. Hinweise auf eine Hormonstörung
- Abtastung von Penis und Hoden; Fragestellung: Verhärtungen (Plaques)? Vorhautverengung (Phimose)? Eichelentzündung (Balanitis)? Hodengröße? Venenerweiterung am Hoden (Varikozele)?
- Abtastung der Prostata (durch den Enddarm) liefert evtl. Hinweise auf eine gutartige Vergrößerung oder auf Krebs
- Blutdruck, Puls, Gewicht, Bauchumfang
Die körperliche Untersuchung liefert Hinweise auf eventuell vorliegende Begleiterkrankungen.
3. Labor
Die folgenden Blutwerte sollten gemäß der europäischen Leitlinie zur erektilen Dysfunktion immer ermittelt werden (EAU 2016):
- Blutzucker (Nüchternglukose)
- Lipidprofil (Gesamt-Cholesterin, LDL, HDL, Triglyceride)
- Gesamt-Testosteron. Eventuell zusätzlich die SHBG-Konzentration zur Berechnung des freien und bioverfügbaren Testosterons.
Je nach dem, welche Hinweise sich aus der Krankengeschichte, der körperlichen Untersuchung und den ersten Laborwerten ergeben haben, wird der Arzt entscheiden, welche weiteren Werte bestimmt werden. Das könnten beispielsweise die folgenden Werte sein:
- SHBG, Prolaktin, FSH, LH
- Kleines Blutbild
- Leberwerte
- Nierenwerte
- Schilddrüsenparameter: TSH, T3, T4
- bei Diabetikern: HbA1c
- bei auffälligem Befund der Prostata: PSA
Auf den Internetseiten von Laborlexikon.de finden Sie Normwerte für alle gängigen Laboruntersuchungen.
4. Schwellkörper-Injektionstest (SKIT) in Verbindung mit einer Ultraschalluntersuchung (Sonographie)
Dieser Test wird angewandt, wenn Risikofaktoren für eine Durchblutungsstörung vorliegen. Durch das fast schmerzlose Spritzen eines gefäßerweiternden Medikamentes in den Penis wird eine Erektion ausgelöst.Während der Entstehung der Erektion wird der arterielle Blutzufluss in die Schwellkörper gemessen. Die zur Erreichung der Erektion notwendige Dosis des Medikaments, der erreichte Erektionsgrad und die Bluteinströmungs-Geschwindigkeit liefern wichtige Informationen über den Zustand der Blutgefäße und der Schwellkörper.
Mit der Farbduplexsonographie wird die Flussgeschwindigkeit in den Penisarterien gemessen. Die Flussgeschwindigkeit schwankt im Rhythmus des Herzschlags. Wenn der größte Spitzenwert (peak systolic velocity, kurz PSV) kleiner als 30 cm/s ist, dann deutet das auf eine arterielle Durchblutungsstörung. Wenn der kleinste Wert zwischen 2 Spitzenwerten (end-diastolic velocity, kurz EDV) größer als 3 cm/s ist, dann deutet das auf ein venöses Leck. Ein aus PSV und EDV berechneter Wert, der sogenannte Resistance-Index liefert weitere Anhaltspunkte für ein venöses Leck. Gemessen wird mehrmals beim Entstehen der Erektion.
Die Untersuchung ist nur bei einer maximalen Entspannung der glatten Schwellkörpermuskulatur aussagekräftig. Da die ganze Prozedur für den Patienten in der Regel mit Stress verbunden ist, wird diese maximale Entspannung oft (besonders beim ersten Mal) nicht erreicht. Die Ergebnisse sind wertlos, wenn nicht mindestens die maximal zu Hause ohne Medikamente und Hilfsmittel mögliche Erektion (“bedroom quality erection”) erreicht wird. In diesem Fall muss entweder nachgespritzt werden oder bei einem 2. Untersuchungstermin eine höhere Dosis verwendet werden. (Berookhim 2016; Teloken 2011)
5. Weitere Untersuchungen
Je nach Ergebnis dieser Untersuchungen können weitere spezielle Untersuchungen notwendig sein. Für die früher öfter durchgeführten invasiven Untersuchungen Cavernosometrie und Cavernosographie besteht allerdings nur noch selten Bedarf.
Anmerkungen und Literaturangaben:
- Berookhim, Boback M. (2016):
Doppler Duplex Ultrasonography of the Penis.
Journal of Sexual Medicine, Volume 13, Issue 13, Pages 726–731. - DGU (Deutsche Gesellschaft für Urologie) (2001):
Leitlinie: Diagnostik und Therapie von Libido- und Erektionsstörungen.Diese Leitlinie wurde nicht aktualisiert und ist daher nicht mehr relevant. Es gibt aber eine europäische Leitlinie (EAU 2016), die an Stelle der deutschen Leitlinie angewandt werden sollte. - EAU (European Association of Urology) (2016):
EAU Guidelines on Erectile Dysfunction, Premature Ejaculation, Penile Curvature and Priapism - Leiber, C (2017):
Erektile Dysfunktion — Aktuelle Diagnostik und Therapie – (CME).
Der Urologe, Band 56, Nummer 4, Seite 519–529. - Teloken PE, Park K, Parker M, Guhring P, Narus J, and Mulhall JP. (2011):
The false diagnosis of venous leak: Prevalence and predictors.
Journal of Sexual Medicine, Volume 8, Pages 2344–2349. - Weiske, W.-H. (2003):
Diagnostik der erektilen Dysfunktion — was ist heute noch notwendig?
Der Urologe [A], Band 42, Nummer 10, Seite 1317–1321.