Nichts bleibt, wie es war. So wie wir selber uns im Laufe eines Lebens verändern, wandeln sich auch unsere Beziehungen und die Sexualität. Es ist normal, dass die Sexualität nicht immer so bleibt wie in der ersten Zeit des Zusammenseins. Die Häufigkeit wird vielleicht weniger, die Leidenschaft lässt nach oder es wird nichts mehr Neues ausprobiert. Dafür gibt es vielfältige Gründe: zu wenig Zeit füreinander, Stress im Beruf, Kinder, keine oder zu wenig Kommunikation über die eigenen Gefühle, Wünsche und Erwartungen, Routine, festgefahrene Rituale und vieles mehr. Dabei können leicht einer der Partner oder beide unzufrieden werden. Wird die Unzufriedenheit nicht geäußert und der Zustand schweigend hingenommen, droht die Sexualität langsam einzuschlafen oder es tauchen Probleme wie mangelndes sexuelles Verlangen und Erektionsstörungen auf. Dann gilt es, die Sexualität neu zu beleben. Manchmal genügen ein paar Anstöße, um etwas wieder in Gang zu setzen. Es ist ein Irrtum, zu glauben, dass Sex auch dann funktioniert, wenn es in allen anderen Lebensbereichen nicht läuft. Da Sex im Allgemeinen nicht erst im Bett beginnt, kann man einiges vorher versuchen.
Vorschläge, was Mann/Frau tun kann:
- Schenke ihm/ihr mehr Aufmerksamkeit.
- Sei auch außerhalb des Bettes zärtlich.
- Bringe (mal wieder) einen Blumenstrauß mit.
- Mache im Haushalt etwas, was du auf Grund der Aufgabenverteilung gewöhnlich nicht machst, also z.B. etwas kochen, die Spülmaschine füllen und ausräumen oder die Betten frisch beziehen.
- Koche etwas Besonderes.
- Öffne eine Flasche Wein aus dem letzten Urlaub.
- Backe seine/ihre Lieblingstorte.
- Schenke ihr/ihm einen Kinogutschein für zwei Personen.
- Lade sie/ihn zu einem Essen im Restaurant ein.
- Schreibe ihm/ihr einen Liebesbrief.
- Verteile in der Wohnung ein paar Zettel mit netten Botschaften.
Wenn die Entfremdung zwischen den Partnern allerdings schon zu groß geworden ist, lässt sich mit solchen kleinen “Tricks” nicht genug ausrichten. Dann müssen die Partner erst (wieder) ins Gespräch kommen und gemeinsam versuchen herauszufinden, was zu der Situation geführt haben mag. Dabei geht es um viele Fragen, die man sich erst einmal selber beantworten kann, z. B.:
- Was wünsche und erwarte ich in der Sexualität?
- Was fehlt mir?
- Was möchte ich gerne noch erleben?
- Bin ich bereit, etwas Neues auszuprobieren?
- Welche sexuellen Fantasien habe ich?
- Was weiß ich von der Sexualität meines Partners/meiner Partnerin?
- Was weiß sie/er von mir?
- Was von den Wünschen, Bedürfnissen und Fantasien bin ich bereit, meiner Partnerin/meinem Partner mitzuteilen?
- Wo finden sich in unseren Erfahrungen, Wünschen, Fantasien, den erotischen Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie dem aktuell gelebten Sex Gemeinsamkeiten, wo Unterschiede?
Anregungen zu solchen Gesprächen bietet das Büchlein “Guter Sex trotz Liebe – Wege aus der verkehrsberuhigten Zone” von Ulrich Clement, erschienen im Ullstein Verlag. Es richtet sich an Paare, deren Sexualität einzuschlafen droht oder in einer Krise steckt, und die sich nur noch auf den kleinsten gemeinsamen Nenner sexuellen Verhaltens geeinigt haben. Es ist für jeden verständlich geschrieben und erfordert keine Kenntnisse von Fachbegriffen. Neben theoretischen Überlegungen und Fallbeispielen enthält das Buch zahlreiche Ideen, “Übungen” genannt, die anregen, über die eigenen Vorstellungen der vergangenen und derzeitigen persönlichen Sexualität nachzudenken, aber auch, sich in den Partner hineinzuversetzen und dessen Vorstellungen und Wünsche einzuschätzen. Ausgehend von der Behauptung, dass die meisten in einer Beziehung lebenden Menschen den Partner nur sehr eingeschränkt wirklich kennen, macht Clement neugierig darauf, sich selbst und den Partner kennenzulernen und mit diesem Wissen neue Wege einzuschlagen.
Ziel ist, dass es in Gesprächen zwischen den Partnern zu einem Austausch kommt, der Änderungen in der gemeinsamen Sexualität bewirken kann. Dabei geht es nicht nur um das Herausfinden von Gemeinsamkeiten, denn gerade die Unterschiede können eine Spannung erzeugen, die das erotische Feuer wieder entfachen und zu mehr Intimität führen.
Der Autor weist auch deutlich auf die Risiken für die Partnerschaft hin, die es beim Befolgen seiner Anleitung geben kann. Jedes Paar muss entscheiden, ob es bereit ist, die Risiken in Kauf zu nehmen, und damit auch die Chancen wahrnimmt, eine positive Veränderung in der Partnerschaft zu erreichen.
Um Missverständnissen vorzubeugen, sei erwähnt, dass das Buch keine Tipps zu sexuellen Praktiken enthält.
Wer sich mit dem Thema intensiver auseinandersetzen möchte, dem sei das Buch “Die Psychologie sexueller Leidenschaft” von David Schnarch empfohlen (erschienen im Klett-Cotta Verlag). Durch theoretische Überlegungen und viele Fallbeispiele erläutert Schnarch, wie es möglich ist, auch in einer langjährigen Beziehung eine leidenschaftliche und erfüllende Sexualität zu bewahren und auszubauen. Intimität und enge Bindung sind aber nur möglich, wenn die Autonomie der Partner gesichert ist. Intimität setzt voraus, dass man sich dem Partner zeigt, wie man wirklich ist und sich ihm damit “zumutet”. Das Buch mag als Anregung dienen, um über den Bestand und die Weiterentwicklung der Beziehung und ihrer Sexualität nachzudenken und darüber zu sprechen. Es ist für Paare wie für Therapeuten gleichermaßen gedacht. Es geht mehr in die Tiefe und ist wesentlich anspruchsvoller, von daher schwieriger zu lesen.