Früh­warn­sys­tem Penis

Frau­en und Män­ner ver­hal­ten sich in Fra­gen von Gesund­heit und Krank­heit ganz unter­schied­lich. Ein klu­ger Mann hat ein­mal gesagt, Frau­en gehen zur Durch­sicht, Män­ner zur Repa­ra­tur. Was so ein “rich­ti­ger Mann” ist, der ist nicht krank und nie schwach, son­dern der ist immer stark, gesund, resis­tent gegen Stress, löst alle Pro­ble­me allein oder ver­drängt sie. Und das ist in Gesund­heits­din­gen eine fata­le Hal­tung. So kommt es, dass häu­fig bei mehr oder weni­ger zufäl­li­gen ärzt­li­chen Unter­su­chun­gen Krank­hei­ten ent­deckt wer­den, die schon län­ge­re Zeit bestehen. Ganz “plötz­lich” hat dann jemand einen hohen Blut­druck, eine koro­na­re Herz­krank­heit, ein Fett­stoffwechsel­problem, Athero­skle­ro­se oder eine Zucker­krank­heit. Aber alle die­se Krank­hei­ten ent­wi­ckeln sich all­mäh­lich, haben einen lan­gen zeit­li­chen Vor­lauf und Risi­ko­fak­to­ren, die jedem bekannt sind: z.B. Über­ge­wicht, Bewe­gungs­man­gel, Rau­chen und Alko­hol­kon­sum. Da Beschwer­den gering oder nicht vor­han­den sind, hält “Mann” sich für gesund. Aber es gibt ein sehr früh­zei­tig auf­tre­ten­des Warn­si­gnal bei die­sen Erkran­kun­gen. Und das kann auch nie­mand über­se­hen. Die meis­ten Män­ner wis­sen nicht, dass da ein Zusam­men­hang besteht. Die Rede ist von Erektions­störungen oder erek­ti­ler Dys­funk­ti­on (ED).

Ein meta­bo­li­sches Syn­drom liegt vor, wenn 3 oder mehr der fol­gen­den Fak­to­ren zutref­fen (Ärz­te Zei­tung 2009):

  1. Bauch­um­fang grö­ßer als 102 cm. (Eine ande­re Defi­ni­ti­on benutzt als Grenz­wert 94 cm).
  2. Tri­gly­ze­rid­spie­gel grö­ßer als 150 mg/dl.
  3. HDL-Cho­le­ste­rin unter 40 mg/dl.
  4. Obe­rer (systo­li­scher) Wert des Blut­drucks grö­ßer als 130 mm Hg oder unte­rer (dia­sto­li­scher) Wert über 85 mmHg.
  5. Nüch­tern-Blut­zu­cker grö­ßer als 100 mg/dl.

Wer­den die Grenz­wer­te 2 bis 5 durch Medi­ka­men­te erreicht, so wer­den sie trotz­dem gezählt. Für Frau­en gel­ten teil­wei­se ande­re Werte.

Die fol­gen­den Risi­ko­fak­to­ren tre­ten häu­fig zusam­men auf und wer­den des­halb unter dem Begriff meta­bo­li­sches Syn­drom zusam­men­ge­fasst: bauch­be­ton­tes Über­ge­wicht, Fett­stoff­wechsel­störungen, erhöh­ter Nüch­tern-Blut­zu­cker (Nüch­tern-Glu­ko­se) und zu hoher Blut­druck. Im schlimms­ten Fall füh­ren sie zu Angi­na pec­to­ris, einem Herz­in­farkt oder Schlag­an­fall. Da bei allen genann­ten Gesundheits­problemen die Blut­ge­fä­ße betrof­fen sind, ist der Zusam­men­hang mit einer erek­ti­len Dys­funk­ti­on sofort ein­seh­bar. Durchblutungs­störungen wer­den z.B. nicht nur auf das Herz oder die Bei­ne beschränkt sein, son­dern betref­fen viel frü­her und stär­ker die fei­nen emp­find­li­chen Gefä­ße, die im Penis für eine Erek­ti­on not­wen­dig sind (Mon­tor­si 2003 b). Und dafür müs­sen sie durch­läs­sig und gesund sein. Der Mann hat also von Natur aus qua­si in sei­nem Penis ein “Früh­warn­sys­tem”, das emp­find­lich reagiert und durch eine Erek­ti­ons­stö­rung früh­zei­tig anzeigt, dass eine mög­li­cher­wei­se erns­te Gesundheits­störung vorliegt.

Eine erek­ti­le Dys­funk­ti­on tritt oft zusam­men mit ande­ren Krank­hei­ten auf (Sef­tel 2004). In den letz­ten 10 Jah­ren haben vie­le Stu­di­en gezeigt, dass die Erek­ti­ons­stö­run­gen nicht nur eine Spät­fol­ge von ande­ren Krank­hei­ten sein kön­nen, son­dern oft auch als ers­tes Sym­ptom die­ser Erkran­kun­gen auf­tre­ten. Hier eini­ge Ergebnisse:

  • Bei fast 70% aller Män­ner ist die erek­ti­le Dys­funk­ti­on ein ers­tes Anzei­chen einer koro­na­ren Herz­er­kran­kung (Mon­tor­si 2003 a). Gera­de bei jün­ge­ren Män­nern (40 — 50 Jah­re) ist die­ser Zusam­men­hang beson­ders stark.
  • Die erek­ti­le Dys­funk­ti­on tritt oft 2 bis 3 Jah­re vor ande­ren Sym­pto­men (z.B. Brust­schmer­zen, beson­ders bei kör­per­li­cher oder see­li­scher Belas­tung) und bis zu 5 Jah­re vor einem Herz­in­farkt oder Schlag­an­fall auf (Jack­son 2010). Wenn die­ses Zeit­fens­ter für eine kon­se­quen­te Redu­zie­rung der Risi­ko­fak­to­ren genutzt wird, dann kann das Fort­schrei­ten der Herz­er­kran­kung ver­lang­samt oder sogar gestoppt werden.
  • Bei rund 40% der Män­ner mit ED, bei denen eine Durch­blu­tungs­stö­rung des Penis dia­gnos­ti­ziert wird, wird auch eine Ver­en­gung der Herz­kranz­ge­fä­ße ent­deckt (Wirth 2007).
  • Bei 10 bis 15% der Män­ner mit anhal­ten­den Erek­ti­ons­stö­run­gen wird ein bis dahin uner­kann­ter Dia­be­tes Typ 2 oder eine Vor­stu­fe davon (erhöh­ter Nüch­tern-Blut­zu­cker) fest­ge­stellt (Wirth 2007).
  • Die erek­ti­le Dys­funk­ti­on kann vie­le Ursa­chen und Begleit­erkran­kun­gen haben. Für fast alle die­se Krank­hei­ten kön­nen die Potenz­pro­ble­me ein ers­tes, auf­fäl­li­ges Sym­ptom sein. Das gilt nicht nur für häu­fig vor­kom­men­de Krank­hei­ten wie beispiels­weise Blut­hoch­druck, Schild­drü­sen­un­ter­funk­ti­on, Schild­drü­sen­über­funk­ti­on, Hor­mon­stö­run­gen, Fett­stoff­wech­sel­stö­run­gen und Schlaf­apnoe, son­dern auch für sel­te­ne und wenig bekann­te Krank­hei­ten wie bei­spiels­wei­se die Mul­ti­sys­te­m­atro­phie (MSA).

Fazit: Län­ger anhal­ten­de Erek­ti­ons­stö­run­gen kön­nen ein ers­tes Anzei­chen einer gefähr­li­chen Krank­heit sein. Da man eine Krank­heit umso bes­ser behan­deln kann, je frü­her sie erkannt wird, kann eine früh­zei­ti­ge Klä­rung der Ursa­chen von Potenz­pro­ble­men wesent­lich zum Erhalt der Gesund­heit und Lebens­qua­li­tät bei­tra­gen. Eine Erek­ti­ons­stö­rung zeigt immer, dass irgend­et­was nicht in Ord­nung ist, sei es kör­per­lich oder psy­chisch. Es lohnt sich, dem nach­zu­ge­hen. Der ers­te Schritt ist die Kon­sul­ta­ti­on eines auf dem Gebiet der Erek­ti­ons­stö­run­gen kom­pe­ten­ten Uro­lo­gen oder Andro­lo­gen. Falls der Arzt aller­dings nur ein Medi­ka­ment wie Cia­lis, Levi­tra oder Via­gra ver­schreibt, dann soll­ten Sie sich einen ande­ren Arzt suchen.

Lite­ra­tur

Zum The­ma erek­ti­le Dys­funk­ti­on als Vor­bo­te von ande­ren Krank­hei­ten gibt es inzwi­schen vie­le Stu­di­en und Übersichts­artikel. Um das Literatur­verzeichnis über­schau­bar zu hal­ten, haben wir uns auf weni­ge Arti­kel beschränkt, die aus­führ­li­che wei­te­re Literatur­angaben beinhalten.

  • Ärz­te Zei­tung vom 22.10.2009: Meta­bo­li­sches Syn­drom definiert.
  • Jack­son, G. et al. (2010):
    Erec­ti­le dys­func­tion and coro­na­ry artery dise­a­se pre­dic­tion: evi­dence-based gui­dance and consensus.
    The Inter­na­tio­nal Jour­nal of Cli­ni­cal Prac­ti­ce, Volu­me 64, Issue 7, Pages 848–857.
  • Mon­tor­si, F. et al. (2003a):
    Erec­ti­le dys­func­tion pre­va­lence, time of onset and asso­cia­ti­on with risk fac­tors in 300 con­se­cu­ti­ve pati­ents with acu­te chest pain and angio­gra­phi­cal­ly docu­men­ted coro­na­ry artery disease.
    Euro­pean Uro­lo­gy Volu­me 44, Issue 3, Pages 360–365
  • Mon­tor­si, P.; Mon­tor­si, F.; Schul­man, C.C. (2003b):
    Is Erec­ti­le Dys­func­tion the “Tip of the Ice­berg” of a Sys­te­mic Vas­cu­lar Disorder?
    Euro­pean Uro­lo­gy Volu­me 44, Issue 3, Pages 352–354
  • Sef­tel, A.D.; Sub, P.; Swind­le, R. (2004):
    The Pre­va­lence of Hyper­ten­si­on, Hyper­li­pi­de­mia, Dia­be­tes Mel­li­tus and Depres­si­on in Men with Erec­ti­le Dysfunction
    The Jour­nal of Uro­lo­gy Volu­me 171, Issue 6, Pages 2341–2345
  • Wirth, A.; Man­ning, M.; Bütt­ner, H. (2007):
    Meta­bo­li­sches Syn­drom und erek­ti­le Dys­funk­ti­on – Epi­de­mio­lo­gi­sche und patho­ge­ne­ti­sche Zusammenhänge
    Der Uro­lo­ge, Band 46, Heft 3, Sei­te 287–292

Die­se Sei­te wur­de von Nicht-Medi­zi­nern erstellt. Die Autoren haben dazu sorg­fäl­ti­ge Recher­chen durch­ge­führt. Die Infor­ma­tio­nen auf die­ser Sei­te sol­len Ihnen bei der Vor­be­rei­tung eines Arzt­be­suchs hel­fen und das Gespräch mit dem Arzt erleich­tern. Sie kön­nen kei­nes­falls das Gespräch mit dem Arzt ersetzen!